Freitag, 27. Mai 2011

Der lange Weg zum Sternfeuer - Zukunftstechnologie Kernfusion (Teil 2)

Wie versucht man, die Fusion technisch umzusetzen?

Der verbreitetste Ansatz ist das sogenannte Tokamak-Prinzip, das in der ehemaligen Sowjetunion entwickelt wurde. Das Wort ist eine Abkürzung für "toroidal'naya kamera s magnitnymi katushkami" - torusförmige Magnetspulenkammer. Hier sieht man, wie das System aufgebaut ist:



Stark vereinfachtes Schema eines Tokamak. Man beachte,
wie sich die Magnetfeldlinien schraubenförmig um den
Fusionstorus wickeln.


Die ringförmig um das Reaktionsgefäß herumgelegten Spulen (orange) erzeugen ein Magnetfeld, das längs zum Torus verläuft. Zusätzlich induziert der durch das Zentrum des Torus' verlaufende Elektromagnet (grau) wie ein Transformator einen Strom im Plasma selbst, der ein kreisförmig um die Kammer verlaufendes Feld induziert. Die Felder addieren sich zu einem Gesamtfeld, das sich schraubenförmig um das Reaktionsgefäß wickelt und das Plasma eindämmt und komprimiert. Zusätzlich wird noch ein vertikales Magnetfeld zugeschaltet, mit dem sich das Plasma inenrhalb des Fusionstorus' steuern läßt.

An der Konstruktionsweise sieht man, dass ein Tokamak nur pulsweise betrieben werden kann: Transformatoren können ja nur mit Wechselstrom arbeiten, da nur ein sich änderndes Magnetfeld Strom induziert. Daher muss der Strom durch den großen Elektromagneten, der den Plasmastrom induziert, während des Betriebs ständig ansteigen - dies geht natürlich nicht beliebig weit, er wird immer wieder abgeschaltet und erneut hochgefahren. Einen sinusförmig oszillierenden Strom zu benutzen ist nicht möglich, da sich jeweils beim Maximum und Minimum die Richtung des Plasmastroms umkehren würde, wodurch das Magnetfeld kurzzeitig zusammenbräche.

Aufheizung des Plasmas ist auf verschiedene Arten möglich. Die ohm'sche Heizung erfolgt einfach über den Plasmastrom, ähnlich wie ein Kabel oder der Glühfaden einer Glühbirne durch den Strom erhitzt wird. Hiermit kommt man aber nicht bis zur angestrebten Temperatur von rund 100 Millionen Kelvin, da der elektrische Widerstand des Plasmas mit steigender Temperatur abnimmt und die ohm'sche Heizung dadurch ineffizient wird. Man benötigt also zusätzliche Heizmechanismen. Bei der Plasmaheizung durch Teilcheneinschuss werden neutrale Atome (meistens Deuteriumatome) in das Plasma geschossen. Sie müssen neutral sein, damit sie durch das einschließende Magnetfeld hindurchkommen. Da neutrale Teilchen nicht auf die erforderlichen Energien beschleunigt werden können, beschleunigt man zunächst Ionen mit einem elektrischen Feld und schickt diese durch ein Gas, in dem sie durch Ladungstransfer neutralisiert werden. Andere Möglichkeit sind die Aufheizung durch magnetische Kompression oder durch Mikrowellen. Mit Mikrowellen lassen sich auch Plasmaströme hervorrufen, so dass sich hier vielleicht eine Möglichkeit abzeichnet, einen Tokamak kontinuierlich, ohne Induktionsmagnet, zu betreiben.

Der weltweit größte Tokamak ist der JET (Joint European Torus) im englischen Culham. Seine Pulse dauern 20 bis 60 Sekunden. 1997 erreichte er eine Fusionsleistung von 16 MW, was einen Weltrekord darstellt. Das Verhältnis von freigesetzter zu eingebrachter Leistung lag bei 0.7. Nachfolgeprojekt ist das internationale Projekt ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor) in Cadarache in Südfrankreich. Mit dem Bau wurde bereits begonnen, das erste Plasma soll gegen 2018 erzeugt werden. Ziel des Experimentes ist, zum ersten Mal mit der Fusion Energiegewinn zu erzielen und sie unter kraftwerksartigen Bedingungen ablaufen zu lassen. Falls ITER erfolgreich ist, soll im Laufe der 20er Jahre dieses Jahrhunderts das Versuchskraftwerk DEMO (DEMOnstration Power Plant) gebaut werden und gegen 2030 in Betrieb gehen.



Die Reaktionskammer des JET - links in abgeschaltetem Zustand,
rechts mit Plasma.


Eine andere Technik nennt man Stellarator. Hier wird das Einschließungsfeld nur über kompliziert angeordnete Spulen erzeugt, es ist kein Plasmastrom nötig. Ohm'sche Heizung ist daher nicht möglich, es kann nur über Teilchenstrahlen, magnetische Kompression oder Mikrowellen Energie zugeführt werden. Ein Vorteil gegenüber Tokamaks besteht darin, dass die Reaktion kontinuierlich ablaufen kann, es muss nicht gepulst werden. Allerdings sind Stellaratoren sehr kompliziert zu konstruieren - Anordnung und Form der Spulen müssen mit aufwändigen Computersimulationen ermittelt werden. Ein experimenteller Stellarator ist die Anlage Wendelstein 7-AS des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik in Garching bei München. Zur Zeit wird der größere Reaktor Wendelstein 7-X in Greifswald gebaut.



 Schema des Wendelstein 7-AS. Auffällig ist die komplizierte
Form und Anordnung der Feldspulen.


Die bisher geschilderten Verfahren beruhen alle darauf, dass das Lawson-Kriterium durch hohe Einschlusszeiten bei vergleichsweise niedrigen Drücken erreicht wird. Genau umgekehrt verfährt man bei der Laserfusion. Sie arbeitet vollständig anders: Ein gefrorenes Brennstoffpellet aus Deuterium und Tritium wird in eine Vakuumkammer geschossen, und dort allseitig von sehr starken Laserstrahlen getroffen, die es aufheizen. Die äußeren Schichten verdampfen explosionsartig und komprimieren dabei das Innere. Die Trägheit der Teilchen hält sie lange genug (einen winzigen Sekundenbruchteil) zusammen, dass Fusionsreaktionen eintreten können - man spricht daher von Trägheitseinschluss. Dieser Ansatz wird bei der National Ignition Facility des Lawrence-Livermore National Laboratory in den USA verfolgt.

Die British Interplanetary Society schlug interessanterweise vor, ein ähnliches System zum Antrieb einer interstellaren Raumsonde zu nutzen: Brennstoffpellets sollten in einer halbseitig offenen Reaktionskammer durch Elektronenstrahlen gezündet werden und dadurch Schub erzeugen. Ein zweistufiges Raumschiff mit diesem Antrieb müsste in der Lage sein, 12% der Lichtgeschwindigkeit zu erreichen.

Die Pellets sollten in diesem Fall aus Deuterium und Helium-3 (mit zwei Protonen und einem Neutron) bestehen. Sie reagieren nach der Gleichung:

d + 3He -> 4He + p + 18.3 MeV.

Da die Fusionprodukte hier alle geladen sind, können sie mit einem Magnetfeld nach hinten geschleust werden und so als Raketenantrieb wirken. Auf der Erde kommt 3He so gut wie nicht natürlich vor. Es existiert in geringen Mengen in der Mondkruste, jedoch in so niedriger Konzentration, dass sich ein Abbau kaum lohnt. Da es jedoch in den Atmosphären der Gasriesen sehr häufig ist, sah der Plan der British Interplanetary Society vor, es mit fliegenden Fabriken (zeppelinartig oder in Form thermonuklearer Ramjet-Flugzeuge) auf dem Uranus einzusammeln - der nähere Jupiter scheidet aus, da seine Gravitation zu stark ist, und beim Saturn würden die treibenden Trümmer der Ringe den Abbauprozess behindern. Kleinere Raketen, die mit Deuterium und Helium-3 betankt würden, sollten zwischen dem Uranus und der Erde hin- und her pendeln, einen Teil des Treibstoffs zur eigenen Beschleunigung nutzen, und den Rest im Erdorbit abliefern, wo er entweder für die große interstellare Rakete oder aber für irdische Fusionsreaktoren zur Verfügung stünde.

Diese Projektstudie, die den Namen "Project Daedalus" trug, wurde nun in überarbeiteter und erweiterter Form erneut zur Diskussion gestellt. Das neue Projekt trägt passenderweise den Namen Icarus - hier ein umfassender Artikel.


 "Project Daedalus" - ein unbemanntes Raumschiff mit gepulstem
Kernfusionsantrieb. Der Fusionsbrennstoff befindet sich in den
großen Kugeltanks. Die größere, untere Stufe wird abgesprengt,
sobald der Tankinhalt aufgebraucht wurde.


Es existieren noch Überlegungen zu weiteren, exotischeren Möglichkeiten, Fusionsreaktionen hervorzurufen.

Bei der sogenannten Sonofusion sollen durch Ultraschall winzige Dampfblasen in Wasser erzeugt werden, die bei ihrem Kollaps ausreichend hohe Drücke und Temperaturen entstehen lassen. Ob es wirklich möglich ist, auf diesem Weg Fusion auszulösen und sogar Energieüberschuss zu erzeugen, ist noch nicht klar.

Bei der myonenkatalysierten Fusion ersetzt man die Elektronen in den Atomhüllen durch Myonen - kurzlebige Teilchen, die den Elektronen ähneln, aber massereicher sind. Deswegen halten sie sich durchschnittlich viel näher am Kern auf und schirmen dessen Ladung ab, was das Verschmelzen der Kerne erleichtert. Nach der Fusion werden sie wieder freigesetzt und stehen für neue Reaktionen zur Verfügung, bis sie mit einer Halbwertszeit von 2 Mikrosekunden zerfallen. Es ist schon gelungen, auf diese Art Fusionsreaktionen auszulösen. Jedoch bleiben die Myonen manchmal am Reaktionsprodukt hängen und scheiden aus der Katalyse aus, was die Effizienz senkt. Ein weiteres Problem besteht darin, dass zur Erzeugung der Myonen in Beschleunigern hohe Energiemengen nötig sind. Einen Fusionsenergie-Überschuss hat man daher noch nicht erzielt.

Auf einem ganz einfachen Prinzip beruht das "Inertial Electrostatic Confinement" (IEC): Hier laufen die Kerne in einem elektrostatischen Feld hin und her, bis sie schließlich kollidieren und verschmelzen. Diese Fusionsreaktoren sind so simpel aufgebaut, dass man sie mit etwas handwerklichem Geschick prinzipiell zuhause konstruieren kann (ob man damit Energieüberschuss erzielt, ist eine andere Frage...). Das ursprüngliche, als "Farnsworth-Hirsch-Fusor" bekannte Konzept wurde von Robert Bussard zum sogenannten Polywell-Fusor weiterentwickelt: In diesem erzeugt eine polyedrische Anordnung von Magnetspulen ein Feld, in dem eine Elektronenwolke eingeschlossen ist. Die Kerne werden in diese Elektronenwolke geschossen. Da die negativen Elektronen die Kerne anziehen, bleiben sie in der Wolke gefangen (bzw. in ihrem Potentialtopf = engl. potential well), bis es zu Zusammenstößen und zur Fusion kommt.

Diese Technik wird heute von der "Energy Matter Conversion Corporation" mit der US Navy als Geldgeber experimentell untersucht. Aufgrund der Involvierung des Militärs sind die Resultate leider bislang geheim.

Robert Bussard ist übrigens auch für sein Konzept eines thermonuklearen Staustrahlantriebs für Raumschiffe bekannt geworden: Ein riesiger Magnettrichter soll das interstellare Gas anziehen und einem Fusionstriebwerk zuführen. Solche Konstruktionen liegen allerdings weit jenseits unserer heutigen technischen Möglichkeiten, nicht zuletzt, weil Trichter und Magnetfeld aufgrund der extrem geringen Dichte des interstellaren Mediums gigantische Ausmaße haben müssen. Carl Sagan kommentierte: "Wir sprechen hier von Schiffen so groß wie Planeten."

Interessant am IEC ist, dass man mit ihm auch schwerere Kerne als Deuterium und Tritium verschmelzen kann. Insbesondere bietet sich die Fusion von normalem Wasserstoff und Bor an:

p + 11B -> 4He (8.7 MeV)

Wie die oben beschriebene Deuterium-Helium-3-Fusion setzt diese Reaktion fast keine Neutronen frei - nur vereinzelte entstehen bei Nebenreaktionen. Man spricht daher auch von "aneutronischer Fusion". Die Reaktorhülle wird kaum aktiviert, es bleiben so gut wie keine radioaktiven Abfälle übrig. Falls sich das Konzept realisieren läßt, hätte man eine extrem saubere und sichere Energiequelle. Außerdem müsste die erzeugte Energie nicht wie bei Tokamaks und Stellaratoren erst in Form von Wärme abgeleitet werden, sondern die entstehenden Heliumionen könnten direkt genutzt werden, um elektrische Energie zu erzeugen.

Eine interessant Frage ist übrigens, weshalb diese Reaktion überhaupt Energie freisetzt - eigentlich bewegt man sich ja beim Schritt vom schwereren Bor zum leichteren Helium vom Eisen weg! Ein genauerer Blick auf die Bindungsenergiekurve zeigt jedoch, dass diese bei den leichteren Elementen einige Unregelmäßigkeiten aufweist. Das Isotop Bor-11 liegt auf der Bindungsenergiekurve unterhalb des sehr stabilen Helium-4:



Hier wächst die Bindungsenergie/Nukleon, anders als in der Grafik im
ersten Teil, von unten nach oben.


Daher kann auch bei dieser Reaktion Energie gewonnen werden. Das Proton vereinigt sich übrigens mit dem Bor-Kern für extrem kurze Zeit zu einem stark angeregten Kohlenstoffkern, der dann in die drei Heliumkerne zerplatzt. Aus diesem Grund spricht man bei der Reaktion zuweilen auch von "thermonuklearer Fission (Spaltung)" statt von Fusion.


Schema des Polywellfusors. Die roten Strahlen repräsentieren
die eingeschossenen Kerne, die grünen die Elektronen.


Eine Art Phantom, das immer wieder durch die Presse geistert, ist die sogenannte "Kalte Fusion". Hierbei sollen in schwerem Wasser (mit Deuterium statt normalem Wasserstoff), das über eine Palladiumelektrode geleitet wird, Fusionsreaktionen ablaufen, ohne dass hohe Temperaturen und Drücke involviert sind - das behaupteten zumindest im März 1989 die beiden Chemiker Martin Fleischmann und Stanley Pons. Ihre Ergebnisse konnten jedoch nie zuverlässig reproduziert werden. Es tauchen zwar gelegentlich Berichte über ähnliche Experimente auf, einer kritischen Überprüfung halten sie jedoch bislang nicht stand. Auch ist völlig unklar, wie das ganze überhaupt funktionieren soll, welcher Effekt dafür verantwortlich sein könnte, dass die Kerne sich nahe genug kommen, um die Potentialbarriere zu durchtunneln. Solange kein wiederholbares Experiment mit eindeutig erkennbarem Energieüberschuss vorliegt, werden die meisten Physiker davon ausgehen, dass die Erfolgsmeldungen auf Messfehlern beruhten, und die Kalte Fusion eine Ente ist.



Die kalte Fusion - höchstwahrscheinlich!



Von allen Fusionstechniken wird der Tokamak inzwischen für die vielversprechendste gehalten, da man mit ihm bisher dem Break-Even-Point (eingebrachte gleich freigesetzter Energie) am nächsten kam, und er den einfachsten Aufbau hat. ITER, das nächste große Fusionsexperiment, wird daher auch ein Tokamak sein.

Wie weit sind wir nun vom ersten Fusionskraftwerk entfernt? Seit den 60er Jahren des 20sten Jahrhunderts wird immer wieder angekündigt, dass der erste energieliefernde Fusionsreaktor in wenigen Jahren einsatzbereit sein würde. Viele Physiker waren allerdings vorsichtiger. Schon zu Beginn der Fusionsforschung erklärte Edward Teller (den man insofern als eine Art Michael Bay unter den Physikern ansehen kann, da er vorwiegend daran interessiert schien, mithilfe seiner kernphysikalischen Kenntnisse gewaltige Explosionen zu verursachen), Fusionsreaktoren würden frühestens zu Beginn des 21. Jahrhunderts zur Verfügung stehen. Folgende Grafik zeigt das relative Wachstum des Tripelproduktes (Teilchendichte * Einschlusszeit * Temperatur, eine Art erweitertes Lawson-Produkt) seit den ersten Fusionsexperimenten (hellblaue Linie):




Man sieht, dass das Produkt eine ähnliche Evolution durchlaufen hat wie die Rechenkapazität von Computern (gelbe Linie): Es verdoppelt sich alle 1.8 Jahre. Extrapoliert man die Gerade, auf der die Experimente sich in der halblogarithmischen Darstellung befinden, sieht man, dass ITER eine gute Chance haben sollte, in die unmittelbare Umgebung des Bereichs, in dem Energiegewinn möglich ist, zu gelangen.

Wenn das ITER-Experiment nun glückt und Fusionskraftwerke gegen Mitte des 21. Jahrhunderts bereit stehen - wie wären diese aufgebaut und was können wir von ihnen erwarten?

Ein Kraftwerk vom Tokamak-Typ hätte folgenden Aufbau:


Brennstoff wird in das Reaktionsgefäß in Form von Pellets aus Deuterium und Tritium eingebracht. Es ist außen von einer sogenannten Blanket umgeben, in dem die bei der Reaktion entstehenden Neutronen auf Lithium treffen. Im Gegensatz zu Deuterium kommt Tritium wegen seiner relativ kurzen Halbwertszeit von knapp über 12 Jahren nicht in der Natur vor: es muß im Reaktor selbst erbrütet werden, indem man die Neutronen mit Lithium reagieren lässt. Das entstehende Tritium wird abgeleitet und der Brennstoffversorgung zugeführt. Aus dem Plasma scheidet der Divertor ständig das Reaktionsprodukt Helium ab - quasi die "Asche" der Fusion. Dies ist übrigens ein sehr nützliches Endprodukt - wegen seines extrem niedrigen Siedepunktes ist Helium als Kühlmittel für die Hochtechnologie unverzichtbar, und natürliche Lagerstätten könnten daher demnächst zu Neige gehen. Im Gegensatz zu den Abfallprodukten der Kernspaltung wäre das der Kernfusion äußerst willkommen.

Die Wärmeenergie aus dem Reaktor wird durch ein Kühlmittel, das durch die Blanket strömt, abtransportiert. Wie in einem normalen Wärmekraftwerk erhitzt es Wasser, und der Dampf treibt eine Turbine, die einen Generator bewegt. Die Leistung des Kraftwerks entspricht der eines großen Kernspaltungs- oder Kohlekraftwerks: 1000 - 2000 MW.

Fassen wir die Vorteile eines Fusionskraftwerks zusammen:

* hohe Leistung pro genutzter Fläche.

* bedingungslos grundlastfähig.

* keine langlebigen radioaktiven Abfälle.

* Reaktion kann sich nicht verselbständigen: Bei Zusammenbruch der Magnetfelder stoppt die Fusion sofort.

* Selbst bei kompletter Zerstörung des Reaktors würde die austretende Tritiummenge wahrscheinlich nur eine Evakuierung in unmittelbarer Nähe des Kraftwerks erforderlich machen.

* Brennstoffe auf der Erde in großer Menge vorhanden (siehe unten).


Und die Nachteile:

* Wahrscheinlich hohe Bau- und Wartungskosten.

* Kurzlebige radioaktive Abfälle (vor allem die Ummantelung des Torus'; bei Wasserstoff-Bor-Fusion träte dieses Problem nicht auf).

* sehr zentralisierte Form der Energieerzeugung (dies trifft nicht auf Polywell-Fusoren zu, da man sie sehr kompakt bauen kann).


Die Vorteile überwiegen die Nachteile also deutlich! Falls ITER erfolgreich ist, sollten wir hoffen, dass die Kernfusion in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts einen wesentlich Beitrag zum "Energiemix" leistet. Allerdings stellt sich damit auch die Frage: Kann die Fusion als "erneuerbar" angesehen werden - sind die Rohstoffe in so großem Umfang vorhanden, dass sie auch in fernerer Zukunft noch zur Verfügung stehen?

Bezüglich Deuterium ist diese Frage leicht zu beantworten: Jede Tonne Wasser enthält 33 g Deuterium - somit existieren auf der Erde nahezu unendliche Vorräte.

Tritium muss, wie schon erwähnt, durch Neutronenbestrahlung aus Lithium erzeugt werden. Der begrenzende Faktor ist daher das Lithium. Wie häufig ist es auf der Erde? Die Weltreserven werden zu 9.5 Millionen Tonnen in Form von Erzen abgeschätzt. Wenn man diese alle zur Fusion nutzt, ließe sich 1000 Jahre lang eine Leistung von 2.5 * 10^12 Watt freisetzen. Verteilt auf 10 Milliarden Menschen ergäbe sich eine Leistung von 250 W pro Person, wesentlich weniger als der durchschnittliche europäische Individualverbrauch von rund 6000 W. Wollte man den gesamten Weltenergieverbrauch nur aus der Kernfusion decken, und allen Menschen einen hohen Lebensstandard gönnen, würden die Ressourcen nur knapp 42 Jahre reichen.

Lithium ist jedoch in wesentlich größerer Menge im Meerwasser enthalten - mit einer Konzentration von 0.17 ppm (parts per million): jede Tonne Meerwasser enthält 0.17 g Lithium. Damit ließe sich der gesamte Energieverbrauch einer auf europäischem Niveau lebenden Menschheit für viele Jahrhunderttausende decken.

Falls es gelingt, die reine Deuteriumfusion nutzbar zu machen (komplizierter als Deuterium-Tritium, weil das Lawsonprodukt höher ist, d.h. höhere Temperaturen und Drücke notwendig sind), dann stehen der Menschheit geradezu unvorstellbare Energieressourcen zur Verfügung. Bei einer Weltbevölkerung von 10 Milliarden ließe sich damit ein individueller Leistungsverbrauch von 7.5 MW (!) eine Million Jahre lang aufrecht erhalten, bzw. ein Verbrauch von 6000 W pro Person für über eine Milliarde Jahre.

Auch Bor für die Wasserstoff-Bor-Fusion ist im Meerwasser in nahezu unbegrenzter Menge vorrätig.

Die Kernfusion könnte also zu einer wichtigen, für menschliche Begriffe nahezu unbegrenzten Energiequelle der Zukunft werden! Experimente wie Wendelstein, JET und ITER sollten unbedingt von den Regierungen unterstützt werden. Wir werden Fusionskraftwerke brauchen, denn leistungsstarke, klimaneutrale Energiequellen sind notwendig, um die Armut zu bekämpfen, die Umwelt zu schützen, den Lebensstandard aller Menschen und den Automatisierungsgrad zu steigern.

Nichtsdestotrotz sollten wir natürlich auch andere erneuerbare Energieformen ausbauen, z. Bsp. Windparks, Solaranlagen, Geothermie und eventuell auch verbesserte Spaltungsreaktoren (Stichworte Thoriumfluorid- und Laufwellenreaktor)  - insbesondere für den Fall, das die Realisierung der Kernfusion noch auf unerwartete Schwierigkeiten trifft und die Fusionskraftwerke nicht so bald ans Netz gehen können wie erhofft.

Jedoch: egal wann, wo und wie das erste Fusionskraftwerk in Betrieb genommen wird - vergessen wir nicht, dass der mächtige und wunderbare Prozess, durch den schwerere Elemente aus leichteren entstehen, in der Natur schon seit dem Urknall abläuft, und auch wir Menschen aus nichts anderem bestehen als Fusionsasche. Die Tausende von Sternen, die man allein schon mit bloßem Auge am Nachthimmel sehen kann, sind die Fusionskraftwerke der Natur, die unablässig neue Elemente erbrüten und damit das Leben im Universum erst möglich machen.


Ein Himmel voller Fusionskraftwerke



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